Ein Text von Christin Hansen und Jessica Holzhausen

Ende März sorgte die deutsche Band Rammstein für Empörung und viel Diskussion, als sie einen gerade einmal 35 Sekunden langen Promo-Trailer für die neue Single „Deutschland“ veröffentlichte. Darin ein 25-Sekunden-Schwenk über die Band-Mitglieder, die in der Kleidung von KZ-Häftlingen am Galgen stehen, gefolgt vom Schriftzug „Deutschland“ – ausgerechnet in Frakturschrift. Eine bewusste Provokation, denn diese Szene macht im darauf folgenden fast zehnminütigen Musikvideo gerade einmal einen Bruchteil aus und hat eine durchaus andere Konnotation, als der Trailer zunächst vermuten lässt.

Rammstein liefert mit dem Video zu „Deutschland“ einen Abriss der blutigsten Kapitel deutscher Geschichte und spielt dabei mit dem deutschen kulturellen Gedächtnis, ebenso wie dem deutschen Selbstverständnis. Vormalige Kennzeichen deutscher Identität und historische, politische Mythen und Stereotype werden dabei bewusst genutzt, überzeichnet und auf den Kopf gestellt. Große Teile der historischen Anspielungen lassen sich allerdings nur mit guten historischen Kenntnissen verstehen und einordnen. Missverständnissen und unterschiedlichen Interpretationen ist damit Raum geboten und genau hierin liegt das Element der bewussten Provokation, für das Rammstein inzwischen bekannt ist.

 

Wie tiefgehend sich Band und Filmemacher mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt haben, zeigt sich tatsächlich bereits an der vielkritisierten KZ-Häftlingskleidung, die erstmals nach fast vier Minuten zu sehen ist: So trägt einer den von Kritikern des Musikvideos angemerkten gelben Stern als Kennzeichen eines jüdischen Häftlings. Darüber hinaus zeigt Rammstein aber auch andere Opfer des Nationalsozialismus: Einer trägt einen rosa Winkel, Kennzeichnung für Homosexuelle, der nächste ein gelbes Dreieck, das mit einem roten Dreieck zur Sternform zusammengefügt ist. Hiermit wurden jüdische, politische Gefangene gekennzeichnet. Die vierte Kennzeichnung ist nicht ganz klar zu sehen. Es scheint sich aber um das schwarze Kennzeichen für „Arbeitsscheue“ oder „Asozialen“ zu handeln.

Wichtig ist hier nicht nur die bildhafte Darstellung, sondern auch der Bezug zum Liedtext. Das „Deutschland“ des Refrains ist eingängig und lädt förmlich zum „mitgrölen“ ein. Dabei ist es in dieser Szene keinesfalls positiv besetzt: Bereits bevor der Zuschauer mit der Galgenszene konfrontiert wird, steigt aus dem gleichen Gelände eine V2-Rakete auf. Die vermeintliche Wunderwaffe der Nationalsozialisten zur Bombardierung englischer Städte wurde unter anderem in Mittelbau-Dora von KZ-Häftlingen gefertigt. „Überraschen, überfallen“, lautet der Liedtext genau in dem Moment, als die V2 abhebt. Das Video glorifiziert also keineswegs den Zweiten Weltkrieg, sondern thematisiert vielmehr die deutsche Schuldfrage und Kriegstreiberei. Das darauf folgende „Deutschland, Deutschland über allen“, gesungen von KZ-Häftlingen, kann daher nur als eine Fortsetzung dieser Kritik verstanden werden. Rammstein nutzt hier eine Abwandlung der ersten Strophe des „Lieds der Deutschen“, in er es heißt: „Deutschland, Deutschland über alles, Über alles in der Welt“. Und nicht umsonst heißt es später im Text „Deutschland, meine Liebe kann ich dir nicht geben“. Die Bandmitglieder sterben am Galgen, unter den Augen der Germania in SS-Kleidung. Germania wird hier von der schwarzen Schauspielerin Ruby Commey dargestellt, eine weitere Umkehrung eines bekannten Motivs – ist die Figur der „Germania“ in der traditionellen Darstellung weiß und nordeuropäisch. Diese Form der Umkehrung kritisiert die mit der Konstruktion des Nationalen einhergehende Identitätsfrage in Bezug auf Herkunft und Rasse. Die traditionelle Darstellung der Germania und das damit zusammenhängende Selbstverständnis als weiße Nation basiert unter anderem auf dem Schema von Inklusion und Exklusion durch vermeintliche Rassezugehörigkeit. Durch die Wahl der Darstellungsweise der Germania im Video wird genau der Aspekt der rassischen Konstruktion aufgezeigt und kritisch aufgebrochen. Die Schauspielerin der Germania hat im Musikvideo insgesamt mehr Auftrittszeit als die meisten Bandmitglieder, was die zentrale Rolle ihrer Figur deutlich macht.

Am Ende der KZ-Szene haben die Häftlinge die SS-Männer umzingelt, das Gewehr im Anschlag. Zum erneuten „Deutschland“ drücken sie den Abzug. Germania ist in dieser Szene nicht mehr zu sehen. „Wer hoch steigt, der wird tief fallen“, heißt es im Text.

Die mythische Geburtsstunde Deutschlands

Rammsteins provokantes Spiel mit der deutschen Geschichte zeigt sich nicht erst an der viel diskutierten und kritisierten KZ-Szene: Bereits in der Eingangsszene thematisiert das Musikvideo den vermeintlichen Ursprung Deutschlands in der germanischen Geschichte, eine Idee, die sich seit dem 18. Jahrhundert vor allem aber im Zusammenhang mit der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert etablierte. Bei der Suche nach einer deutschen Identität dienten die Germanen als mythisch überhöhter Ursprung deutscher Einheit. Man versuchte so ein tausendjähriges Bestehen, eine deutsche Geschichte und deutsche Einheit zu legitimieren. Vor allem völkische Kreise versahen diesen Mythos zum Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt mit Attributen wie Rassereinheit, Wehrhaftigkeit und Einigkeit.

Explizit nicht genannt ist hier die Varusschlacht und Hermann der Cherusker als Personifizierung des Germanentums im Kampf gegen fremde Mächte. Vielmehr nutzt Rammstein ein anderes historisch wichtiges Ereignis: Während römische Soldaten durch das Unterholz dringen, ist der Untertitel „Germania Magna, 16 A.D.“ eingeblendet. In genau diesem Jahr befahl Kaiser Tiberius den Rückzug der römischen Truppen aus Germania Magna hinter die Rheinlinie, nachdem nicht nur die berüchtigte Varusschlacht, sondern auch weitere Rückeroberungsversuche am Widerstand der germanischen Stämme gescheitert waren.

Das Video nutzt dieselbe Bildsprache, wie sie sich auch in filmischen Inszenierungen in der Zeit des Nationalsozialismus findet. Beispielhaft genannt sei hier der Film „Ewiger Wald“ von 1936, in der der Wald als Parabel für die deutsche Geschichte dient: Die Römer sind hier die erste Gefahr, die das friedlich im Wald lebende Urvolk bedroht. Wie auch bei Rammstein marschieren die römischen Soldaten in den Wald und brechen durch das Unterholz, werden aber von den sich erstmals als Volk zusammenfindenden Germanen – oder Deutschen – vernichtend geschlagen.

In Rammsteins Video hat Germania, begleitet von einem Wolf, nicht nur einem Römer den Kopf abgeschnitten: Über ihr hängen römische Soldaten ausgerechnet an einer deutschen Eiche – ebenfalls ein wiederkehrendes (völkisches) Motiv. Die Eiche gilt spätestens seit dem 19. Jahrhundert als nationaler Symbolbaum und wurde unter anderem mit dem Germanentum in Verbindung gebracht: Unter einem derartigen Baum hätten die alten Germanen ihren Thing abgehalten, also die Versammlung aller freien Männer. Gleichzeitig steht die Eiche in diesem Zusammenhang für Standhaftigkeit, Treue und Unsterblichkeit – Attribute, die von der deutschen Nationalbewegung für die Stiftung einer deutschen Identität nutzbar gemacht wurden. So wird auch die Germania in der deutschen Geschichte wiederholt mit einer deutschen Eiche oder gar einem Eichenlaubkranz abgebildet

 

Germania, Öl auf Leinwand, 482 x 320 cm, 1848

 

Der Ursprung Deutschlands ist bei Rammstein ein blutiger. Auf Germania mit dem abgeschnittenen Kopf eines Römers in der Hand, folgt der Titelschriftzug „Deutschland“ in Frakturschrift.

Eine weitere, mögliche Anspielung an den germanischen Ursprung des Deutschtums findet sich bereits am Anfang des Musikvideos: In der allerersten Einstellung steigt in der Ferne ein rotes Licht wie eine leuchtende Säule gen Himmel. Womöglich thematisiert Rammstein hier die legendäre Irminsul oder Erminsul. Dabei handelt es sich um ein ebenfalls legendenumwobenes, frühmittelalterliches Heiligtum der Sachsen, das – folgt man fränkischen Annalen – 772 auf Veranlassung Karls des Großen zerstört wurde. Auch der Widerstand der Sachsen unter Widukind gegen die Fremdherrschaft Karls des Großen, das Schlachten von 4500 Sachsen bei Verden an der Aller, ist ein wiederkehrendes, völkisches Mythenmotiv.

Das rote Laserlicht zieht sich wie ein Leitfaden durch das gesamte Musikvideo und verbindet die historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Ereignisse und Themen. Mit ihm endet auch das Video: Germania schwebt Schneewittchen gleich in einem Glassarg durch das Weltall, während eine rote Lichtsäule von der Erde aus in den Weltraum dringt. Diese Darstellung verweist die Möglichkeit eines ewigen Kreislaufs. Die Germania als Symbol für die Überhöhung des Nationalen kann in einen Schneewittchen-Schlaf fallen, wartet aber nur darauf wachgeküsst zu werden. Rammstein thematisiert somit die der Gesellschaft immanente Gefahr einer erneuten Wiedergeburt von Nationalismus und Selbstüberhöhung.

Hetzjagd durch die Geschichte: Schnelle Schnittsequenzen und versteckte Symbolik

Kontinuierlich greift Rammstein in der bildlichen Darstellung die dunklen oder blutigen Kapitel deutscher Geschichte heraus, wobei die schnelle Schnitte und das Aufbrechen einzelner Szenen in kurze, sich abwechselnde Sequenzen ein bewusst gewähltes Stilmittel sind: Gerade einmal wenige Sekunden ist im Hintergrund die brennende Hindenburg zu sehen, bevor der Umschnitt auf einen Faustkampf erfolgt. Gut 30 Sekunden zuvor hatte Germania in der Kleidung eines Flapper-Girls der 1920er Jahre die Faustkämpfer mit Schlagringen ausgestattet. Und so lässt sich hier vermuten, dass die Szene indirekt die internen, politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik thematisiert. An anderer Stelle errichten deutsche Ordensritten einen Scheiterhaufen, um darauf eine in Lack gekleidete Gestalt (Germania?) zu verbrennen. Zwei unscharf im Vordergrund zu erkennende Gestalten entpuppen sich bereits in derselben Szene als SA-Männer und so folgt der inhaltlich logische Schritt hin zur Bücherverbrennung im Nationalsozialismus. Ein ähnliches Stilmittel findet sich bei den wiederkehrenden DDR-Szenen, schnellere und chaotischere Schnitte, gepaart mit zunehmendem Exzess, symbolisieren den zunächst langsamen, dann immer schnelleren Verfall der DDR. Zentrale Figur ist auch hier die Germania, die wie bereits in der KZ-Szene zuvor hier eine Uniform trägt und raucht.

Die Szene zeigt SED-Funktionäre, die ausgelassen Champagner trinken und Geld zählen, was durchaus als eine Kritik an der kapitalistischen Natur des „real existierenden Sozialismus“ zu verstehen ist. Auch hier ist das Zusammenspiel von Text und Bild für die Interpretation nicht zu unterschätzen. Die DDR-Szene ist in sich zerstückelt und taucht wiederholt in kurzen Sequenzen im Musikvideo auf. Je ausgelassener die Bonzen feiern, desto mehr beginnt das Konstrukt DDR zu zerbröckeln. Zunächst fällt Staub und Gips von der Decke, in der letzten SED-Szene stürzt die Decke über den SED-Funktionären ein und begräbt sie unter sich.

Die Bandmitglieder übernehmen in all diesen Szenen selbst die Hauptfiguren – sei es als erschlagener Römer, KZ-Häftling, SED-Mann oder RAF-Terroristen, die die mit Sprengstoff umgürtete Germania als Geisel nehmen. Ähnlich ist es auch im Video zu „Radio“, der zweiten Auskopplung aus dem neuen Album. Hier sind die historischen Anleihen allerdings weniger plakativ, als bei „Deutschland“ und daher noch schwieriger zu erfassen. Zu Beginn des Videos kündigt ein Sprecher an: „Achtung, Achtung, hier ist Berlin Königs Wusterhausen und der Deutsche Kurzwellensender. Wir senden Tanzmusik“. Der Deutsche Kurzwellensender war der Auslandssender der Nationalsozialisten und sendete vom April 1933 bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs auf Kurzwelle aus Königs Wusterhausen. Die Alliierten nutzten eine Abwandlung des Namens (Deutscher Kurzwellensender Atlantik) um während des Zweiten Weltkriegs heimlich ein Radioprogramm nach Deutschland zu senden und die NS-Propaganda zu unterwandern.

Der „Weltempfänger“, wie es im Refrain heißt, ist in dem Lied „Radio“ ein Tor zur Welt – und das bezieht sich nicht nur auf das heimliche Hören des Auslandsradios während des Zweiten Weltkriegs, sondern vor allem auf den Empfang von westdeutschen Radiosendungen und internationaler Musik in der DDR. Hier kann Rammstein als Band mit ostdeutschem Ursprung auf die eigene Erfahrung in der DDR zurückgreifen. Das Video allerdings ist eine bildliche Anlehnung an die Musikhallen der 1920er Jahre und Künstler wie die Comedian Harmonists. Dass es in Berlin Premiere feierte, dürfte auch kein Zufall sein: Hier wohnt nicht nur der Sänger Till Lindemann, Berlin gilt auch als der Geburtsort des Radios in Deutschland.

 

 

Rammsteins Musikvideo zu „Deutschland“ liegt eine tiefe Symbolik zugrunde. Bestehende, in völkischen und rechtsextremen Kreisen positiv besetzte Figuren und Ereignisse, werden bewusst ins Gegenteil verkehrt und damit zu einer Kritik an Deutschtum und Deutschtümelei. Mit den Rückgriffen auf viele zahlreiche blutige Stationen der deutschen Geschichte wird die Überhöhung der eigenen Geschichte und die eigenen nationalen, auf Geschichte gestützte Identität in Frage gestellt. Das Video zeigt auf eine prägnante Art, welche Interpretationsräume Geschichte bietet und wie Geschichte zur Identitätsbildung beiträgt – und missbraucht werden kann. Die Figur der Germania steht dabei in Zusammenhang mit Gewalt, Totalität, Dekadenz oder Zerstörung. Sie ist somit zeitgleich Verbindung zwischen und Kritik an der Überhöhung des Nationalen und deren Eskalation. Die Band spielt also sehr bewusst mit den mythischen Motiven und Stereotypen einer deutschen Identität, überzeichnet sie bis hin zu Absurdität und Ekel.

James Gillray: Germans Eating Sour-Krout, 1803

 

In mehreren Einstellungen liegt Germania nackt und bedeckt mit Wurst und Sauerkraut auf einem Tisch und die sie umringenden Mönche speisen von ihrem Körper. Weiße Männer verschlingen die schwarze Germania. Die Szene nutzt eines der bekanntesten Negativ-Stereotype vom Deutschen: das des Krautfressers. Erneut verstecken sich in dieser Szene zahlreiche Anspielungen und Interpretationsmöglichkeiten: Germania nährt zum einen die sie umringenden Menschen, ob nun freiwillig oder missbräuchlich ist dabei der jeweiligen Interpretation überlassen. Zum anderen erfährt die Figur der Germania eine Sexualisierung: So streicht ein Mönch Germania liebevoll durch das Gesicht, während es im Liedtext heißt „will dich lieben und verlangen“ – eine eindeutige Provokation und Kritik, die hier nicht nur auf politischer Ebene stattfindet, sondern durch die Verkleidung als Mönche auch auf religiöser.

Nicht ganz eindeutig ist hier die Rolle der Kirche nachzuvollziehen: Liefert Rammstein hier eine Kritik an der Kirche und nutzt damit wiederum ein völkisches Narrativ, wenn sich die Mönche am Ende an der Germania überfressen? Oder geht es vielmehr um eine Darstellung der zügellosen Kirche als Parasit an Staat und Gesellschaft?

Deutschland zwischen Gut und Böse

„Deutschland“ arbeitet nicht nur mit Geschichtsreferenzen bis in die Neuzeit, sondern projiziert den Fortbestand „Deutschlands“ auch in die Zukunft. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang bereits der durch das Weltall schwebende Schneewittchen-Sarg, der die sterblichen Überreste der Germania davon trägt. Diesen begleiten Astronauten bereits zu Beginn des Videos durch den Hanger eines Raumschiffs, wobei hier die Farben schwarz und rot überwiegen. An anderer Stelle entdecken die Astronauten zerbrochene Statuen und an der Wand den verwitternden Schriftzug „Deutschland“. Auch hier überwiegt das gleiche Farbschema. Dies ist mehr als nur eine Anspielung an das Schwarz-Rot-Gold Deutschlands. In Science Fiction Filmen sind Schwarz und Rot häufig die Farben der bösen Gegenspieler: Man denke hier beispielweise an den imperialen Todesstern oder die Sternzerstörer im Star Wars Franchise. Auch die Sith-Lords – von Darth Maul bis Darth Vader – sind unschwer an dieser Farbkombination als Antihelden zu erkennen. Und nicht zuletzt gelten Schwarz und Rot als Feuermethaphorik auch als die Farben des Teufels.

 

Hans Memlings Darstellung der Hölle, 1485

 

Die Wahl der Farbe ist in diesem Video tatsächlich nicht nur eine Frage der Ästhetik: Germania trägt als kennzeichnende Farben überwiegend Schwarz, Rot und Gold – in verschiedenen Varianten und Kombinationen. Eine Ausnahme ist die schwangere Germania, die gleich einer Marienfigur oder Engel in Weiß erscheint, hier aber kein Kind zur Welt bringt, sondern Hundewelpen. An anderer Stelle führt Germania Schäferhunde an der Leine. Ganz in Gold und in einem Stil gekleidet, der an Rap-Musikvideos erinnert, umgürtet mit einem Patronengürtel mit der Inschrift Germany, läuft sie mit ihrem Rudel und begleitet von einem Sondereinsatzkommando der Polizei mit Waffe im Anschlag auf die Kamera zu. Damit findet sich erneut der symbolische Bezug zum Nationalsozialismus, denn dieser hatte den Schäferhund ganz bewusst als Symbol deutscher Tugenden wie Mut und Treue inszeniert. Germania gebiert hier also jenes Tier, das in der NS-Zeit eine nicht unbeachtliche Rolle in der Inszenierung deutscher Identität und Ideologie spielte. Die bewaffneten Polizisten lassen sich hier als eine Kritik des autoritäre Staates deuten, legt die Band Rammstein doch wiederholt Wert auf ihre politisch linke Herkunft.

Neben Rückgriffen in die deutsche Geschichte arbeitet die Band mit Anleihen an der Popkultur, seien es Anlehnungen an andere Musikrichtungen, oder an bekannte Filme und Fernsehserien, wie die BBC-Serie Peaky Blinders oder Babylon Berlin. Verwiesen sei hier auf die Hindenburg-Szene oder die Schlägereien im Boxring, die mit einer ganz ähnlichen Bildsprache und Ästhetik arbeiten, wie die Fernsehserien, die in dieser Zeit spielen. Auch finden sich die für Rammstein so typischen Anleihen an der Fetisch-Szene (zum Beispiel Lack- und Leder-Kleidung und -Masken). Und nicht zuletzt ist das Video selbstreferenziell: In der letzten Szene fliegt der Glassarg der Germania in den Weltraum, bevor der Abspann einsetzt, der unterlegt ist mit einer Klavier-Accoustic-Version des Rammstein-Lieds „Sonne“, dessen Musikvideo eine Schneewittchen-Geschichte ins Zentrum stellt – inklusive dem dazugehörigen Glassarg, der am Ende zerbricht und aus dem sich das wiedererwachte Schneewittchen erhebt.

 

 

 

 

 

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