von Eva Hahn und Hans Henning Hahn
Bekanntlich steht es heutzutage mit den deutsch-russischen Beziehungen nicht zum Besten. Vielfach behauptet man, nach den Ursachen der Schwierigkeiten solle man vor allem in der Politik der gegenwärtigen russischen Regierung suchen; andere dagegen weisen wiederum auf die lange Geschichte antirussischer Stereotypen hin. Die Bundesregierung und die ihre Russlandpolitik unterstützenden Politiker und Publizisten gehören zu den erstgenannten Stimmen; sie betonen, die gegen Russland verhängten Strafsanktionen seien rein politischer Art und keineswegs gegen die russische Nation gerichtet. Dagegen wird allerdings die Tradition antirussischer Stereotypen keineswegs aufgearbeitet, sondern mit staatlicher Unterstützung sogar noch heute weiterhin unreflektiert verbreitet, wie am Beispiel des Kulturportals West – Ost unschwer nachzuweisen ist.
„Die Kultur der Deutschen im östlichen Europa“ sei „ein bedeutender Teil der gesamtdeutschen und europäischen Kultur“, erfahren wir auf jenem Portal: In über sieben Jahrhunderten sei sie gewachsen und bilde „zugleich eine Brücke zwischen den Nachbarvölkern“. Die Kultur der Deutschen im östlichen Europa trage „als Zukunftsaufgabe dazu bei, den grenzüberschreitenden Dialog zu fördern, die Erforschung des kulturellen Erbes Europas gemeinsam zu gestalten, das gegenseitige Verstehen zu verbessern und die Bereitschaft zur Aussöhnung mit Leben zu erfüllen.“[1]
Das Kulturportals West – Ost wird gemeinsam von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa betreut. Sein zentraler Bestandteil sei, so heißt es, „die umfangreiche Datenbank der Einrichtungen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland in Sinne des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes mit der Kultur der Deutschen im östlichen Europa befassen. Derzeit sind annähernd 3.000 Institutionen, Verbände, Vereine, Gruppen etc. erfasst.“[2] Im Impressum finden sich kurze Hinweise auf die Redaktion des Portals: Georg Aescht (Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR, Königswinter) sowie Dr. Ernst Gierlich und Elke Wilming (Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen für Wissenschaft und Forschung, Bonn). Einen zentralen Bestandteil des Internetportals bildet die Rubrik „Ostdeutsche Biographie“, wo „bekannte, aber auch in Vergessenheit geratene Persönlichkeiten vorgestellt [werden], die in Wissenschaft, Kunst, Politik, Kirche etc. besondere Leistungen vollbrachten“. Derzeit seien „ca. 2.500 Persönlichkeiten mit biographischen Skizzen, z.T. mit Porträts und Hinweisen auf weiterführende Literatur, vertreten.“ [3]
Die völkischen sowie die daraus hervorgegangenen NS-Traditionen, welche die Beziehungen Deutschlands zum östlichen Europa über Generationen belasteten und in die Katastrophe der NS-Kriegsführung führten, werden am Kulturportal West – Ost weder erläutert noch kritisch aufgearbeitet. Geradezu im Gegenteil: Sie werden verdrängt oder gar verherrlicht.
Wilhelm Jordans (1819-1904) berüchtigte antipolnischen Rede in der Frankfurter Nationalversammlung am 24. Juli 1848 wird nicht einmal erwähnt; hier heißt es nur nebulös: Gegenüber seiner Umdichtung der Nibelungensage (1867/74) „verblaßten seine politischen, schließlich nationalistischen Dichtungen und Romane sehr bald“[4]. Gustav Freytag (1816-1895), dessen internationale Reputation auf dem Roman Soll und Haben beruht (der nach der englischen Wikipedia „set an example for a body of colonial literature about the ‘eastern marches’ and also started a public-reinterpretation of the Ostsiedlung, which was now presented as historical mission of the Germans (Kulturträger), legitimizing continued occupation of Polish areas and suppressions of Polish population“[5]), gehöre einfach „zu den bedeutenden Schriftstellern des deutschen Realismus“[6]. Über den sudetendeutschen Ideologen und „Volksforscher“ Emil Lehmann (1880-1964) erfahren die Portal-Leser, dass er wegen „erheblichen Schikanen durch die tschechische Staatsmacht“[7] im Jahre 1936 nach Deutschland geflüchtet sei, aber nichts über seine Unterstützung des NS-Regimes. Der NS-General Johann Blaskowitz (1883-1948) wird hier als ein tragischer Held präsentiert: „Mit der Verhaftung des Generalobersten Blaskowitz als ‚Kriegsverbrecher‘ im Sommer 1945 nahm die Tragik im Leben dieses untadeligen Soldaten ihren Fortgang“[8]. So ist nicht verwunderlich, dass auch Victor Hehn hier ohne jegliche kritische Distanz präsentiert wird.
Der deutschbaltische Schriftsteller und Bibliothekar Viktor Hehn (Tartu/Dorpat 1813-Berlin 1890) war seinerzeit ein bekannter Goethe-Forscher, galt jedoch auch als Russland-Kenner. Aufgewachsen im heutigen Estland, wirkte er nach fünfjähriger Verbannung in Tula (200 km südlich von Moskau) seit 1856 bis 1873 als Oberbibliothekar an der Kaiserlichen öffentlichen Bibliothek in St. Petersburg. Für sein schriftstellerisches Werk zeichneten ihn die Universitäten Dorpat und Marburg mit der Ehrendoktorwürde der Philosophie aus, aber seine posthume Würdigung durch den ersten Professor für osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Berliner Universität Theodor Schiemann[9] (1847-1921) hätte er sicherlich noch mehr geschätzt: Der Begründer der deutschen Osteuropaforschung gab im Jahre 1892 Hehns Petersburger Tagebuchaufzeichnungen unter dem Titel De moribus Ruthenorum. Zur Charakteristik der russischen Volksseele. Tagebuchblätter aus den Jahren 1857-1873 heraus; sie sind im Jahre 1966 als Neudruck in Osnabrück erschienen[10] und werden heute von Amazon in einer neuen Version aus dem Jahre 2008 vertrieben.[11] Was wir dort über Russland erfahren, bietet exemplarische Einsichten in die historische Entwicklung der deutschen Russland-Stereotypen.
Zunächst einmal könnte es scheinen, als handele sich in Victor Hehns Buch um oberflächliche Alltagsstereotypen, z. B. hier:
„Warum in keiner russischen Stadt ein erträglicher Conditor – da sie doch Alle außerordentlich auf süße Leckerbissen erpicht? Die russischen Zuckerbäcker machen die Kuchen so ziemlich von außen nach – färben sie grün und roth und candiren sie in der Weise wie in Europa. Aber wie schmeckt das Zeug nach tausend Nebendingen, wie gemein und roh ist Zuckergebäck! Es fehlt die Sorgfalt. Hinten in der Küche, wo kein Auge hinblickt, geschieht Alles obenhin“[12].
Darüber hinaus finden wir pauschalisierende kollektivistische Zuschreibungen negativer Eigenschaften, die sicherlich nicht so harmlos sind, besonders wenn sie als unveränderbar dargestellt werden:
„Kein Russe arbeitet angestrengt. Man lasse ihn allein und er feiert. Der Bauer, wenn er pflügt, hält an, kratzt sich den Kopf und holt Atem. Keine Viehmagd melkt die Kuh recht aus, wodurch die besten Kühe schließlich wenig Milch geben. Die Feiertage machen es nicht allein, auch die faule Natur des Menschen selbst, der Branntwein, die Badstuben, die Religion, das Klima, kurz, unausrottbare Einflüsse.“[13]
Folgt man Victor Hehns Bildern, dann erschienen die Russen unfähig zu jeglicher technologischer und wirtschaftlicher Modernisierung. Sogar der Eisenbahnbau würde sich dort nicht lohnen, meinte der Verfasser. Paradoxerweise verkündete Zar Alexander III. 1891 im selben Monat, in dem Victor Hehn ein Jahr zuvor (21. März 1890) gestorben war, den Baubeginn der bis heute längsten Eisenbahnstrecke der Welt, der Transsibirischen Eisenbahn mit ihren 9288 km zwischen Moskau und Wladiwostok, wohingegen unser Autor schrieb:
„Kein Russe kann Lokomotivführer sein, weil ihm die Genauigkeit, die Regelung und Berechnung fehlt. Er ist ein sorgloses Kind des Augenblicks; er kann sich selbst nicht halten und folglich auch einen Zug nicht regieren. Manche, die ich gesprochen, sind der Meinung, daß die Eisenbahnen überhaupt in Rußland nicht so fortgehen können, weil das Menschenmaterial, sie zu bedienen, absolut fehlt“[14].
Selbst das kulturelle Leben Russlands behagte Victor Hahn nicht:
„Puschkins lyrische Gedichte sind doch nur ein Gemisch von allerlei Nachahmungen. Es fehlt an Tiefe des Gedankens, vor Allem der Seele und des Gefühls. Daher sind die Schmerzen und Freuden doch nur conventionell, oberflächig, kein aus der Tiefe brechender Quell“[15].
„Die russische Oper in Moskau ist über alle Beschreibung elend. Was dort Erträgliches auftaucht, wird nach Petersburg an die hiesige russische Oper gezogen, die auch noch mehr als mittelmäßig ist. Die 80 Millionen des großen Reiches erzeugen eben keine Talente, keine Stimme“[16].
Doch Victor Hehn konstruierte eben nicht nur pejorative Bilder der Russen, er sprach ihnen auch jegliche Subjektivität ab. Zugleich versuchte er, seine Leser der Autonomie ihres eigenen Wahrnehmungsvermögens zu berauben: Sie sollten nicht selbst erworbenen Informationen und eigenen Beobachtungen trauen, sondern Hehns ‚tiefsinnigen‘ Erkenntnissen Glauben schenken: Alles, was man zu sehen glaube sei nur Schein, die Russen seien nicht so, unter der Oberfläche verberge sich lediglich ihre Barbarei:
„Alle Klubs von Petersburg sind nicht naturwüchsig, nicht natürliche Erzeugnisse dieses Bodens […] Die natürlichen Verhältnisse, das heißt die drin steckende Barbarei bricht doch wieder hervor und das Ganze fällt in Trümmer. Ueberall findet bald das Laster Eingang, und zwar in erschreckendster Gewalt, das Uebermaß, die Rohheit, die Schufterei u.s.w. Denn nicht bloß die äußere Civilisation, auch alle Begriffe der Ehre und Ehrlichkeit, die sittlichen Gefühle – Alles ist nur angenommen, ist Firniß und erhält sich nur, so lange fremde Augen hinsehen oder der Knüttel dabei liegt“.[17]
Die Konstruktionen einer mental map, an der nichts Russisches so sei, wie es uns erscheine, bringt uns zu der heute verbreiteten Vorstellung, wir müßten vor Putins Propaganda, vor den russischen „staatlichen“ Medien und ihren fake news geschützt werden. Schon Victor Hehn versuchte darauf hinzuweisen, dass Russland „eigentlich“ kein christliches Land sei: „In Rußland hat man das Christenthum unmerklich in eine Perunreligion[18] verwandelt. Also Aeußerlichkeit, Sinnenprunk, Ideenlosigkeit!“[19] Nicht einmal die Bemühungen russischer Politiker um die Einführung humanerer Praktiken etwa in die damalige Armee konnte Hehn begrüßen: „Daß der jetzige Kriegsminister Miljutin die körperliche Züchtigung bei den Soldaten abgeschafft hat, war eine Verkennung des russischen National-Naturells, eine theoretische hohle, aus Europa eingeführte, aber sehr unpassende Humanität“[20]. Mit anderen Worten: dem russischen Volk helfe keine aufgeklärte Obrigkeit, die humanitäre Normen einführt, denn dagegen spreche die russische Natur (hier als „National-Naturell“). Natur wurde von Viktor Hehn im Sinne von ‚Wesen‘ benutzt, „Naturell“ also als ‚Wesenhaftigkeit‘ verstanden – eine höhere Legitimation war kaum zu formulieren. Der Wahrheitsanspruch des Heterostereotyps wurde ‚natürlich‘ begründet, dem entsprach dann die – noch unausgesprochene – ‚Wahrheit‘ des Autostereotyps.
Noch als Petersburger Oberbibliothekar hatte Hehn 1863 kluge Zeilen über die wechselseitige Abhängigkeit von Selbst- und Fremdbild formuliert:
„Wie unsere Teutomanen ohne Wälsch und Franzosen nicht leben können, so der Panslavist nicht ohne Deutsche: in dieser Opposition besteht eigentlich die ganze Wissenschaft. Und da die großen Culturphasen von West nach Ost über den Welttheil gehen, so hängt der Teutsche wie der Slave an der alten, im Untergehen begriffenen Lebensform, die er für national, für deutsche Freiheit zum Unterschied von der französischen, für slavische im Gegensatz zu der deutschen erklärt: er ist seinem Wesen nach reaktionär.“[21]
Für die Beziehungen der Deutschen zu Russen haben sich offensichtlich die dichotomischen Bilder eines vermeintlichen Gegensatzes zwischen „Russland“ und „Europa“ aus der Feder Hehns (und anderer) verheerend ausgewirkt. Obwohl 85 Prozent der Einwohner Russlands im europäischen Teil des Staates lebten und Russland auf eine Tradition partnerschaftlicher Beziehungen namentlich mit Preußen und dem später Deutschen Reich zurückblicken konnte, wurde schon Mitte der 1920er Jahre in Hitlers Opus Mein Kampf „Russland und seine Randstaaten“ als ein von Deutschland aus zu kolonisierendes Gebiet präsentiert.[22] Warum er mit diesem Projekt in der deutschen Öffentlichkeit so viel Unterstützung fand, können wir nur anhand von ähnlichen Überlegungen, wie sie schon Victor Hehn anstellte, verstehen:
„Oft denke ich, wenn die Europäer mit sammt ihrer Kultur gar nicht da wären oder diese Leute in Ruh ließen, sie würden auf ihrer weiten Ebene doch irgend was sein! Zwar in stationären, traditioneller, asiatischer Weise, aber doch i r g e n d etwas. So aber kann man das Ganze nur mit Ekel betrachten“[23].
Hinter dem diskursive Bemühen, den russischen Gegenüber seines Subjektcharakters zu berauben, stand die mittel- und langfristige Vorstellung in den deutschen mental maps, Russland als leeren Raum zu malen, der zu expansionistischer, imperialer Gestaltung regelrecht einlud. Victor Hehn selbst war allerdings nicht der erste und eigentliche Konstrukteur dieses Russland-Bildes sowie der Vorstellung, dass Russen keine Europäer, sondern eine minderwertige Rasse sui generis seien.
Vor einem Viertel Jahrhundert hat der amerikanische Wissenschaftler Larry Wolff dargelegt, wie die westeuropäischen Aufklärer Osteuropa als tabula rasa und damit als Betätigungsfeld für Westeuropäer malten[24], während der österreichische Literaturwissenschaftler Franz K. Stanzel auf die Steirische Völkertafel aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, d.h. auf eine Zusammenstellung europäischer Völker mit tabellarisch geordneten Zuschreibungen verschiedener Eigenschaften, hingewiesen hatte.[25] Über die „Muskawithen“, also Russen, war da nichts Schmeichelhaftes zu lesen, eher ein Bild verbreitet, von dem sich auch Victor Hehn sicherlich bestätigt gefühlt hätte: Ihr „Sitten“ seien „boßhafft“, ihre „Natur und Eigenschaft“ „Gut Ungerisch“ [= „Aller Graussambst“], in der Rubrik „Verstand“ stand „Gar Nichts“, darüber hinaus seien sie „Unentlichkrob“, „Gar Verrätherisch“ (in der Rubrik „Untugent“) und sie sollten „Den Brügl“ [= Prügel] lieben. Ihr Land sei „Voller Eiß“, in der Rubrik „Gottesdienst“ hieß es „Ein Abtriniger“, am Besten seien sie mit „Ein[em] Esel“ zu vergleichen und „Ihr Leben Ende“ finde „In schnee“ statt.
Hehns Buch führt uns zu einem anderen Vorbild:
„Mein Freund Fr. hält die Rasse für nicht bildungsfähig.
Hegel nennt die Slaven treffend ein Encliticum des menschlichen Geschlechtes. Er hält sie für ein Mittelding zwischen Europäismus und asiatischem Geist und ihren Einfluß auf den Gang der Geschichte nicht wichtig genug, um Gegenstand seiner philosophischen Betrachtung zu sein“[26].
Victor Hehn bediente sich älterer Stereotypen, deren Traditionen allein die historische Stereotypenforschung erforschen und aufarbeiten kann. Heute hört man allerorts, dass der Westen nicht Probleme mit „den Russen“, sondern nur mit ihrer Regierung habe, ohne in Betracht zu ziehen, dass es um eine gewählte und damit repräsentative Regierung geht. Putins Wähler werden als Opfer einer Propaganda präsentiert, als handele es sich nicht um autonome Meinungen selbstbestimmter individueller Menschen, ähnlich, wie es Victor Hehn vor 150 Jahren schilderte.
Am Kulturportal West – Ost erfahren wir von der Problematik dieser Traditionen nichts. Victor Hehn sollen wir als einen „vielseitigen deutsch-baltischen Gelehrten und Schriftsteller“ würdigen, „den biographische Nachschlagewerke als Schriftsteller schlechthin zu bezeichnen pflegen, wo man dann erst bei genauerem Nachlesen auf die vielseitigen Leistungen des Gelehrten, des Kulturphilosophen, des Goethe-Forschers, des Kenners russischen Volkstums aufmerksam wird“. Sein Buch „sei, bei aller scharfen Kritik des Russentums, über den Tag hinaus einer der ganz wenigen Wegweiser für die Beurteilung des russischen Menschen“[27]; er selbst „gehörte zu den Repräsentanten einer kulturmorphologischen Linie, mit einem weit über den engen Heimathorizont reichenden, die europäische Geistesgeschichte umspannenden Blick, geistiger Erbe eines Herder und Goethe, Bahnbrecher für eine Natur und Kultur verbindende Geschichte der Menschheit“.[28]
Die Leser des Kulturportals West-Ost werden durch dessen Lektüre irregeführt, vor allem wenn es sich um historisch interessierte und um Kommunikation sowie Verständigung zwischen Deutschen und Russen bemühte Menschen handelt. Die Beteuerungen unserer Politiker und Publizisten, die gegenwärtigen Belastungen der deutsch-russischen Beziehungen seien als Folge des politischen Handelns seitens der russischen Regierung zu verstehen, werden so in erheblichem Ausmaß konterkariert. Durch die regierungsamtliche Finanzierung dieses Internetportals wird gleichzeitig damit eine unsägliche Stereotypentradition weitergeführt. Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen die Historische Stereotypenforschung zu fördern? Denn ohne eine historische und funktionale Aufarbeitung der Stereotypengeschichte sind die diskursiven und realen Grundlagen jeglicher Beziehungsgeschichte weder zu verstehen noch neu zu gestalten. Das betrifft vor allem die deutsch-osteuropäischen und somit auch die deutsch-russischen Beziehungen.
[1] siehe https://kulturportal-west-ost.eu/ (abger. 2. 2. 2019) [Alle Zitate in diesem Text werden in der ursprünglichen Orthographie wiedergegeben].
[2] https://kulturportal-west-ost.eu/vorstellung (abger. 2. 2. 2019)
[3] https://kulturportal-west-ost.eu/vorstellung-2 (abger. 2. 2. 2019)
[4] https://kulturportal-west-ost.eu/biographien/jordan-wilhelm-2 (abger. 2. 2. 2019)
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Gustav_Freytag (abger. 2. 2. 2019)
[6] https://kulturportal-west-ost.eu/biographien/freytag-gustav-2 (abger. 2. 2. 2019)
[7] https://kulturportal-west-ost.eu/biographien/lehmann-emil-2 (abger. 2. 2. 2019)
[8] https://kulturportal-west-ost.eu/biographien/blaskowitz-johannes-2 (abger. 2. 2. 2019)
[9] Zu den engen Beziehungen zwischen Schliemann und Hehn in Berlin siehe den Aufsatz von Klaus Meyer (Anm. 11).
[10] Hehn, Victor: De moribus Ruthenorum. Zur Charakteristik der russischen Volksseele. Tagebuchblätter aus den Jahren 1857-1873. Herausgegeben von Theodor Schiemann, Stuttgart: Verlag der J.G. Cotta’schen Bucchandlung 1892, Neudruck der Ausgabe 1892: Osnabrück: Verlag Otto Zeller 1966.
[11] Die Wiederauflagen haben wohl dazu geführt, daß dem Buch in den letzten Jahrzehnten schon einige Aufsätze gewidmet wurden, so Thiergen, Peter: Viktor Hehn ‚De moribus Ruthenorum‘. Zu Einordnung, Struktur und Wirkung einer xenophoben Schrift, in: Obst, Ulrich (Hg.): Palten – Slaven – Deutsche. Aspekte und Perspektiven kultureller Kontakte. Festschrift für Friedrich Scholz zum 70. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Slavisch-Baltischen Seminars der Universität Münster 1), Münster 1999, S. 309-337; Meyer, Klaus: Rußland, Theodor Schiemann und Victor Hehn, in: Angermann, Norbert/Garleff, Michael/Lenz, Wilhelm (Hg.): Ostseeprovinzen, Baltische Staaten und das Nationale. Festschrift für Gert von Pistohlkors zum 70. Geburtstag (= Schriften der Baltischen Historischen Kommission Bd. 14), Münster 2005; Schütz, Stephan: Victor Hehn und Rußland, in: Franz, Norbert/Kirjuchina, Ljuba (Hg.): Sankt Petersburg – „der akkurate Deutsche“. Deutsche und Deutsches in der anderen russischen Hauptstadt. Beiträge zum Internationalen interdisziplinären Symposium in Potsdam, 23.-18. September 2003 (= Kulturen und Literaturen europäischer Regionen. Kulturen unterwegs. Deutshe in St. Petersburg Bd. 1), Frankfurt am Main usw. 2006, S. 125-140.
[12] V. Hehn, De moribus…, S. 76.
[13] Ebda., S. 82.
[14] Ebda., S. 205.
[15] Ebda., S. 160.
[16] Ebda., S. 206.
[17] Ebda., S. 97f.
[18] In der (ost-)slawischen Mythologie war Perun eine Art Donnergott.
[19] Ebda., S. 165.
[20] Ebda., S. 201.
[21] Hehn, Victor: Petersburger Correspondenzen, in: Baltische Monatsschrift 8/1863, S. 278-286, 377-384, 548-562, hier S. 559, hier zitiert nach S. Schütz (vgl. Anm. 11), S. 129.
[22] Klaus Meyer (Anm. 11) betont, Hehns „Rußlandbild“ habe durch die Bearbeitung ihres Herausgebers Theodor Schiemann für das Lesepublikum einen „gleichsam normativen Charakter“ (S. 270) erhalten. Die nach K. Meyers Ansicht noch unvollkommene Skizzierung einer Wirkungsgeschichte (S. 270-277) der Tagebuchaufzeichnungen Hehns bzw. ihrer Veröffentlichung führt er direkt zu Hitler und Rosenberg sowie noch darüber hinaus.
[23] Ebda., S. 162.
[24] Larry Wolff: Inventing Eastern Europe : the map of civilization on the mind of the Enlightenment, Stanford, Calif. 1994.
[25] Franz K. Stanzel: Europäer. Ein imagologischer Essay, Heidelberg 1998.
[26] V. Hehn, De moribus…, S. 98.
[27] Hier steht der ungenannte Autor des Kulturportals West – Ost in krassem Gegensatz zu den in Anm. 11 zitierten wissenschaftlichen Aufsätzen.
[28] https://kulturportal-west-ost.eu/biographien/hehn-victor-2 (abger. 2. 2. 2019)